Dieser Beitrag wurde am 22.10.2022 in ManagerSeminare veröffentlicht.

Hier ist der Originaltext:

Titel
Führe im Tempo des Vertrauens!

Vortext
In Kapstadt, Südafrika fand vom 12.-14.Oktober das dritte d.confestival statt. 350 Teilnehmer aus knapp 40 Ländern feierten Design Thinking (im folgenden DT) – ein Management-Werkzeug, das hilft, schneller, bessere Lösungen auszuführen. DT stellt den Menschen in den Mittelpunkt, ist experimentell, iterativ, kreativ und gemeinschaftlich.

Text
Hasso Plattner, Mitbegründer des IT-Unternehmens SAP und Mäzen, sagte bei der Konferenzeröffnung, dass er zum ersten Mal über DT im Time Magazin 2004* gelesen hat. Das hat ihn so beeindruckt, dass er es in seinen darauffolgenden Vortrag einbaute. Dies wiederum veranlasste Ideo, die Erfinder von DT, Kontakt mit Plattner aufzunehmen, und ihn um Unterstützung für die erste d.school an der Stanford University in Kalifornien zu bitten. Gefragt, getan – Plattner finanzierte den Neubau der d.school an der Elite-Universität. Bald darauf folgte die d.school in Plattners Heimatstadt Potsdam, von wo aus es dann mit der Global Design Thinking Alliance hinaus in die Welt ging. Seit sechs Jahren gibt es auch eine d.school in Südafrika, deren neues Haus an der Cape Town Universität zum diesjährigen d.confestival eröffnet wurde. Zielgruppe sind Studenten mit einem bereits abgeschlossenen Studium, Unternehmen und gemeinnützige Organisationen.

Plattner machte DT bei der SAP zur Chefsache. DT und Strategie-entwicklung und -umsetzung wurden in seinem Unternehmen eng miteinander verknüpft. Die Computer Ingenieuren sollten aus ihren “Echo-Chambers” herauszutreten und die Kunden von SAP in den Designprozess der SAP-Lösungen einbinden. Produktentwicklung MIT dem Kunden, nicht FÜR den Kunden, das war Plattners Ziel. In seiner Eröffnungsrede nannte er darüberhinaus zwei weitere wichtige DT Prinzipien:

Baue Feedback-Schleifen in den Prozess ein; wiederhole, definiere neu und wenn es sein muss, fange wieder von vorne an!
Akzeptiere die Mitglieder eines Teams als das, was sie sind – Mitglieder des Teams. Sie fahren vielleicht langsam, wenn du schnell fahren willst, sie fahren links, wenn du rechts abbiegen willst, sie sind vielleicht “hinter” dir, was das Alter oder die Erfahrung angeht – trotzdem: Höre zu!

Bei SAP schuf Plattner die Stelle des Chief Design Officers (CDO) und knapp 600 SAP Manger wurden in einem ersten Schritt im DT geschult. Dieser Prozess ging zeitgleich einher mit der Transformation von SAP zu einem Cloud Unternehmen. Es war Learning by Doing! Was im DT gelernt wurde, wurde direkt in diesem Transformationsprozess angewendet. Sowohl Sam Yen, erster CDO bei SAP, als auch Jeanett Modise, ehemals Head of HR, SAP Afrika, sind sich sicher, daß DT ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor dieses Wandels war.

Modise definiert DT als ein Vehikel, um besser und schneller Prozessabläufe auszuführen. DT sagt sie, ist kein “Extra”, es ist vielmehr in den jeweiligen unternehmerischen Kontext eingebunden und kann so ganz unterschiedliche Bereiche wie zum Beispiel Kostenstrukturen und Unternehmenswerte umfassen. Die Mitarbeiter müssen DT atmen und leben – es ist ein ganz essentieller Bestandteil der Unternehmenskultur, der genau wie monetäre Zielgrößen in die Mitarbeiterbewertung mit einfließt. Zumindest bei SAP.

Sam Yen ist heute bei JP Morgan als Chief Innovation Officer Commercial Banking tätig. Er sagte mir auf der Konferenz, dass er seinen neuen Job u.a. deshalb angefangen hat, um zu beweisen, dass der DT-Erfolg bei SAP kein Zufall ist, sondern das Ergebnis eines Design getriebenen Innovationsprozesses. Es geht darum, die wahren Bedürfnisse der Endnutzer/Kunden zu entdecken und Lösungen für diese Probleme zu “entwerfen”. Sein Job ist Bereichsübergreifend im Unternehmen angesiedelt und er genießt vollste Unterstützung von der Unternehmensleitung. Das sei überlebenswichtig, sagte mir Sam Yen.
Ebenso wichtig ist es, die Zeit und den Raum zu bekommen, um die Arbeit richtig zu machen.

Yen beschrieb sehr eindrücklich in seinem Vortrag vier Phasen des DT bei einem großen, internationalen Unternehmen:

Man muss sich bewußt sein, daß man mit der Einführung von DT einem Prozess anstößt in der Organisation – mit allen Höhen und Tiefen. Dieser Prozess entwickelt sein ganz eigenes Tempo, man kann ihn nicht in einen zeitlichen Rahmen einbinden und er basiert auf Vertrauen. Zu Beginn sind es nur wenige Mitarbeiter, die sich auf diesen Prozess einlassen. Er nannte sie die “Lonely Soldiers”.
Die 2. Phase bezeichnete er als “Erfolg in Silos”. Die ersten DT-Projekte sind erfolgreich verlaufen und schaffen im weiteren Kreis des Unternehmens Vertrauen. Neue DT-Projekte werden initiiert. Auch in dieser Phase bedarf es noch der vollen Unterstützung der Exekutive.
Erst in der 3. Phase erfolgt der Dreh von “push zu pull”. DT-Projekte müssen dann nicht mehr”angepriesen” werden, sondern neue Unternehmensbereiche wollen das Tool zur Lösung ihrer Probleme einsetzen, weil deren Mitarbeiter gesehen und gehört haben, dass DT in anderen Bereichen erfolgreich war. DT nimmt an Fahrt auf.
Und in der 4. Phase kann man dann skalieren und es auf das ganze Unternehmen ausweiten. Neue Mitarbeiter werden eingestellt und DT wird zum integrativen Bestandteil der Unternehmenskultur.

Die Hasso Plattner d.school in Kapstadt ist vor sechs Jahren angetreten, so Richard Perez, ihr Leiter, um das Potenzial von DT in Afrika zu erweitern und neue Problemlösungen für die Welt zu schaffen. “Die Welt braucht afrikanische Lösungen”, sagte er. Ich bin, weil wir sind! – das afrikanische humanistische Ethos UBUNTU, das wir alle aus der Open Source/Linux Software-Welt kennen, inspiriert den afrikanischen DT Prozess. Mugendi M’rithaa, Industriedesigner, Pädagoge und Forscher aus Kenia, legte in seiner Session eine UBUNTU inspirierte Roadmap für eine integrative, verantwortungsvolle Designführung vor. Bescheidenheit, Demut und Empathie kommen darin sehr stark zum Ausdruck. Wir können nicht Erfolg haben, wenn andere noch verzweifelt ist. Führen ist die Aufgabe eines jeden Einzelnen und das “Mensch sein” ist immer wichtiger als das, was “Menschen machen”! Für Mugendi bietet UBUNTU den idealen Rahmen für DT.

Mit dem neuen Gebäude an der neuen Location richtet die d.school ihr Angebot an die unterschiedlichen Fakultäten der Universität von Cape Town, genau wie das in Stanford und dann auch an der Universität in Potsdam geschah, und sie wendet sich an Unternehmen und nichtkommerzielle Einrichtungen auf dem ganzen afrikanischen Kontinent.

Wir sind gespannt wo diese Reise hinführt!
Viel Erfolg!

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*Plattner war von 1997 bis 2003 Vorstandssprecher von SAP und von 2003 – 2021 Vorsitzender des Aufsichtsrats.
**https://issuu.com/index/docs/the_new_design_thinking_2004/5

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